Institut für Volkskunde
der Deutschen des östlichen Europa
IVDE Freiburg Handbuch Heimatbriefe


Online-Handbuch Heimatpresse – Projektphase I

Die deutschsprachige Presse der „Vertriebenen“ ist so umfangreich wie heterogen. Allein die Zahl von geschätzt weit über 1 000 Titeln veranschaulicht, vor welche Herausforderungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestellt sind, wenn sie sich einen Überblick über dieses Teilsegment der deutschsprachigen Presselandschaft verschaffen möchten. Zwar existieren einige ältere Hilfsmittel, nicht zuletzt angesichts des aktuellen demographisch bedingten Wandels der „Vertriebenenpresse“ sind diese heute allerdings überholt. So veröffentlichte bereits 1953 der Zeitungs- und Publizistikwissenschaftler Karl O. Kurth ein Handbuch der Presse der Heimatvertriebenen, in dem alle bis dato veröffentlichten Periodika der Vertriebenen verzeichnet werden sollten. 1982 legten im Auftrag der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat Horst von Chmielewski und Gert Hagelweide ein Bestandsverzeichnis der deutschen Heimatvertriebenenpresse vor. Neben wenigen weiteren Nachschlagewerken, die sich auf bestimmte Herkunftsregionen beziehen, stellen die genannten Publikationen die einzigen Hilfsmittel dar, die der Forschung zur Verfügung stehen. Allein die Zeitschriftendatenbank (betrieben von der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und der Deutschen Nationalbibliothek) stellt aktuelle bibliographische Informationen zur Verfügung, sie eröffnet aber keinen systematischen Gesamtüberblick über die „Vertriebenenpresse“.

Mit dem Online-Handbuch Heimatpresse entsteht ein Hilfsmittel, das die existierenden Informationen bündelt und umfangreiches weiteres Datenmaterial präsentiert. So werden neben den bibliographischen Angaben auch Informationen zu Inhalten, Autorinnen und Autoren, Schriftleiterinnen und Schriftleitern, beteiligten Körperschaften sowie zum Selbstverständnis und zur Geschichte der einzelnen Titel erhoben. Ein Einstieg in die Nutzung des Online-Handbuches ist entweder über verschiedene Register oder über die Suchfunktion möglich.
Mithilfe des Titelregisters gelangt die Nutzerin/der Nutzer direkt zu den jeweiligen Titeldatensätzen. Ein Personen- und ein Körperschaftsregisters bilden die an den Zeitschriften beteiligten Akteurinnen und Akteure ab; die Datensätze zu einzelnen Personen verzeichnen biographische Kurzinformationen, die Anhaltspunkte für weiterführende Recherchen geben sollen. Die Suchfunktion ermöglicht einen Einstieg über die Freitextsuche sowie über geographische und systematische Kategorien. Darüber hinaus finden sich auf der Handbuch-Homepage eine aktualisierte Bibliographie zum Thema, eine Einführungsstudie sowie in Kürze auch eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Aufsätzen.

Das Online-Handbuch wurde von Dr. Tilman Kasten im Rahmen eines von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie dem IVDE finanzierten Pilotprojektes konzipiert und realisiert, wobei als Kooperationspartner die Martin-Opitz-Bibliothek in Herne gewonnen werden konnte. Für die digitale Umsetzung zeichnet Gordian Gossen, Diplominformatiker (FH), verantwortlich. Nachdem in der ersten Projektphase 2016 auch bereits Datensätze erstellt wurden, erfolgte anschließend, getragen vom IVDE, die schrittweise weitere Befüllung der Datenbank. Mittelfristig sollen zunächst alle „Heimatzeitschriften“ der Vertriebenen – also Periodika, deren Adressaten sich auf dieselbe geographische Herkunft berufen – in der Datenbank verzeichnet werden.

Tilman Kasten


Online-Handbuch Heimatpresse Projektphase II – Die visuelle Darstellung der Heimat

Fotografien, Zeichnungen, Gemälde etc. und ihre Akteure in Heimatzeitschriften


Heimatzeitschriften bieten als Quelle eine unerschöpfliche Menge an visuellen Elementen unterschiedlicher Provenienz. Sie sind zunächst ein Fundus für Reproduktionen von Fotografien, sei es von Bauwerken bzw. Landschaften der Heimat oder von Reisegruppen, seien es Hochzeitsfotos und Personenporträts der „Landsleute“. Zudem geben sie Werke der bildenden Kunst wieder, so z. B. Gemälde, Federzeichnungen, Holz- und Linolschnitte, aber auch Schnittmuster von „Trachten“, Symbole, Embleme, abgelichtete Archivalien sowie Reproduktionen persönlicher Urkunden. Nicht zuletzt sind diese Zeitschriften Zeugnisse der visuellen Gestaltungspraktiken (Typografie, Layout) und Auswahlverfahren ihrer Herausgeber, Redakteure und Schriftleiter. Einsendungen der „Landsleute“ und zugängliche Quellen, denen Fotografien entnommen werden konnten, boten zwei fundamentale Säulen für die Beschaffung von Bildmaterial.

Mit dem Medium verbunden ist eine in der Forschung allseitig bekannte Problematik: Zahlreiche abgedruckte Fotografien und Kunstwerke wurden gänzlich ohne Bildunterschrift eingefügt oder – wenn ein Motiv in der Bildunterschrift benannt ist – die Urheber oder Einsender bleiben vielfach unerwähnt und unsichtbar. Dennoch stehen verschiedene Akteure im Hintergrund: Fotografen, Maler, Grafiker, Bildhauer, aber auch Hobbyfotografen oder „Heimatkünstler“, die ohne künstlerische Ausbildung z. B. Häuser aus der „alten Heimat“ und Bauwerke wie die Ortskirche (foto)grafisch festhielten. Forschungen rund um die in diesen Zeitschriften reproduzierten visuellen Elemente bzw. die Nutzung dieses Mediums als Quelle werden mangels eines fehlenden Hilfswerks, das über die reproduzierten Werke und die beteiligten Künstler Auskunft erteilt, massiv erschwert oder gehen mit einem enormen Rechercheaufwand einher.

Die visuellen Gestaltungspraktiken in Heimatzeitschriften bzw. Periodika und die Verbindungen zwischen erstens dem Medium der Heimatzeitschriften, zweitens Bildthemen bzw. -motiven, drittens den reproduzierten Fotografien, Werken und Techniken der bildenden Kunst sowie viertens den Fotografen, bildenden Künstlern und mitwirkenden „Landsleuten“ als Akteuren standen im Fokus einer weiteren Projektphase (2020–2021) und sollen im Handbuch mehr Sichtbarkeit erhalten. Diese Phase des Projekts Online-Handbuch Heimatpresse soll einen ersten Beitrag zur Aufdeckung solcher Verbindungen leisten. Dadurch kann dieses Hilfswerk nicht nur die gezielte Suche nach visuellen Elementen unterstützen, sondern auch weitere Forschungen – z. B. im Bereich der visuellen Kultur (visual culture ) – fördern.

In einem ersten Schritt wurde die von Dr. Tilman Kasten (2016) aufgebaute und in den letzten Jahren unter der Leitung von Dr. Elisabeth Fendl weitergeführte Datenbank inhaltlich und technisch erweitert. Neben den ab der ersten Projektphase erfassten bibliografischen Daten, den Inhalten von Beiträgen und deren Verfassern sollen Titeldatensätze künftig über folgende Themen bzw. Aspekte der visuellen Gestaltung von Heimatzeitschriften informieren:

1) Fotografien: Bauwerke (z. B. Bauden, Schutzhütten), Personenaufnahmen (Einzelporträts, Reisegruppen, Gruppen bei Heimattreffen), Landschaftsaufnahmen (z. B. Berge, Winter- oder Frühlingslandschaften) etc.;2) Grafik und Kunst etc.: Gemälde, Federzeichnungen, Wappen, Plakate, Briefmarken, Postkarten, Plastik, persönliche Urkunden etc.;3) Akteure: Künstler und Fotografen im weitesten Sinne, soweit im Periodikum ausgewiesen oder nachvollziehbar;4) Typografie/Layout: Gestaltung der Titelseite; Verwendung von Fraktur und Antiqua; Gestaltung einzelner Rubriken; dekorative Elemente;5) Anmerkungen zur visuellen Gestaltung: wie z. B. Beschreibung der Besonderheiten der visuellen Darstellung.

Mit dieser Erweiterung Hand in Hand ging ein Ausbau der Personendatenbank: Da in dieser Projektphase Fotografie und Kunst im Fokus standen, wurde innerhalb der Personendatenbank eine separate Datenbank zu Fotografen und Künstlern eingerichtet. Akteure sind im Personenregister künftig gemäß der Art ihrer Beiträge recherchierbar: Fotografen und bildende Künstler nunmehr auch von Beiträgern, Schriftleitern und Redakteuren getrennt. Die bisherige Praxis, zu ausgewählten Beteiligten Kurzbiografien zu verfassen oder biografische Hinweise zu veröffentlichen, wurde beibehalten, ausführlichere Biografien werden nur in ausgewählten Einzelfällen angestrebt.

Während der Projektlaufzeit sind neue Datensätze zu weiteren Heimatzeitschriften entstanden, aber auch mehrere Datensätze aus der ersten Projektphase wurden aktualisiert. Umfassende Überarbeitungen der Titeldatensätze wurden – im Gegensatz zu den regelmäßigen, geringfügigeren Ergänzungen – mit Überarbeitungsdatum vermerkt. Im Fokus der zweiten Projektphase standen primär die Heimatzeitschriften Böhmens und Mährens.

Durch die Implementierung technischer Neuerungen können Titel- und Personendatensätze seit Oktober 2021 als PDF-Datei heruntergeladen und ausgedruckt werden. Gleichzeitig ist mit Hilfe von URLs die Zitierbarkeit der Datensätze gewährleistet. Da Datensätze von mehreren Verfassern bearbeitet wurden und laufend ergänzt bzw. aktualisiert werden können, empfiehlt sich derzeit eine Zitation mit URL und Abrufdatum, ohne Benennung der Verfasser.

Die Projektidee ging auf Dr. Elisabeth Fendl zurück, den Auftakt zum Projektstart gab die von ihr in Kooperation mit dem Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte der Deutschen in und aus Ostmittel- und Südosteuropa organisierte Tagung „Bild und Schrift als Botschaft. Vom Dekor der Heimatzeitschriften“ (Freiburg, 20.–22.11.2019). Die zweite Projektphase wurde von Dr. Bernadette Gebhardt im Rahmen eines durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sowie das IVDE finanzierten Projekts realisiert. Mit der digitalen Umsetzung der Erweiterung der Datenbank wurde Gordian Gossen betraut.

Bernadette Gebhardt
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