Institut für Volkskunde
der Deutschen des östlichen Europa
IVDE Freiburg
 
Quartalston 3/2021

Volkskunde und Heimatvertriebene in den 1950er-Jahren

Als Johannes Künzig im Oktober 1952 zu Tonaufnahmen für eine Rundfunksendung des Nordwestdeutschen Rundfunks in die Reichswaldsiedlung nahe Kleve fuhr, war das nicht sein erster Besuch dort.

Für ihn und die Volkskundler seiner Zeit stellten Nachkriegssiedlungen wie diese ideale Orte für ihre Forschung dar. Sie gingen davon aus, hier, wie in einem "Laboratorium" (Hanika), Fragen der "Akkulturation" und der "kulturellen Mischung" untersuchen zu können. Der Volkskunde dachten sie dabei auch die Rolle zu, in diesen Prozess der "Mischung" aktiv einzugreifen. So formulierte Johannes Künzig: "Es wird die Aufgabe des Volkskundlers sein, solche substantiellen Werte nicht etwa nur festzustellen und aufzunehmen, sondern als kundiger Heimatpfleger diese reichen, aber oft nur im Stillen gehüteten Überlieferungen für gegenseitige Befruchtung der vor unseren Augen sich entwickelnden Dorfgemeinschaft nutzbar zu machen." (Künzig, S. 156)

In dem vorliegenden Tonbeispiel erläutert der örtliche Lehrer im Gespräch mit Johannes Künzig und dem bei der Aufnahme ebenfalls anwesenden Volkskundler Ernst Klusen seine Vorstellungen vom zukünftigen Gemeindeleben. Er geht dabei auf den Rat der beiden Volkskundler ein, man solle in der Reichswaldsiedlung bewusst Bräuche jeder der hier lebenden Landsmannschaften installieren. Fragen danach, wie alt die Bräuche sind, ob sie in der "alten Heimat" noch eine Bedeutung hatten bzw. wer zu unterschiedlichen Zeiten die jeweiligen Brauchträger waren, werden nicht gestellt.

Quellen:
Hanika, Josef: Volkskunde und Heimatverwiesene, in: Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde, Nr. 57, Oktober 1949, S. 9.
Künzig, Johannes: Neuwerden ostdeutscher Bauernsiedlung am Niederrhein, in: Der Wegweiser Nr. 18 (1. Oktober 1952), S. 155 f.

Tonarchiv des IVDE, Band 61, aufgenommen am 8. Oktober 1952 in der Siedlung Reichswald.

Tonarchiv: Elisabeth Fendl
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