Institut für Volkskunde
der Deutschen des östlichen Europa
IVDE Freiburg
 
Quartalston 3/2022

Vom Beerenklauben

In vielen Kindheitserinnerungen von aus Böhmen und Mähren Vertriebenen nimmt das Beerenklauben ähnlich wie das Pilzsammeln einen großen Platz ein. "Beerkolb, Beerkolb, ich hou mei Teppla schun holb" sangen, laut Sudetendeutschem Wörterbuch, die Kinder in Nordböhmen. Und auch in folgendem Beererlied wird die Freude über das Ende der nicht immer freiwillig unternommenen Arbeit deutlich: "Roll, roll, roll, mein Topf ist voll / voll lauter schwarzen Beeren! / Und wer sein Topf nicht volle hat, / der ist ein fauler Beerer."

Die aus dem Kreis Böhmisch Leipa / Česká Lípa in Nordböhmen stammende, in unserem Tonbeispiel zu hörende Erzählerin erinnert sich an einen Kindervers zum Beerensammeln, in dem thematisiert wird, welche Folgen das zu ausgiebige Beerennaschen haben konnte. Wenn das "Täppl" (der Topf) leer, das "Kräppl" (der Kropf) allerdings voll war, hatte man mit Strafen zu rechnen. Diese werden hier in drastischer Übertreibung – wie sie in dieser Art von "Umgangspoesie" (Rühmkorf) häufig anzutreffen ist – geschildert: "Kommt die Mutter mit der Keule, schlägt uns eine große Beule."

In der Form zeigt unser Beispielvers Ähnlichkeit mit den von Hermann Bausinger beschriebenen "Rhythmusformeln", die "nicht nur dem Ansporn und damit der Intensivierung der Arbeit, sondern auch der rhythmischen Gliederung und Ordnung des Arbeitsprozesses dienen" (Bausinger, S. 79).

Quellen:
Bausinger, Hermann: Formen der Volkspoesie, Berlin 1968
Rühmkorf, Peter: Über das Volksvermögen. Exkurse in den literarischen Untergrund, Reinbek 1967.

Tonarchiv des IVDE Freiburg, Band 149, aufgenommen in Roetgen, am 22.06.1955.

Tonarchiv: Elisabeth Fendl
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