Institut für Volkskunde
der Deutschen des östlichen Europa
IVDE Freiburg
 
Quartalston 2/2024

Heimliche Hilfe

Der etwa 60jährige hier zu hörende Interviewpartner Johannes Künzigs stammt aus Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom in der Zips. Er erzählt davon, dass in seiner Heimat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das täglich verwendete Brot in jedem Haushalt selbst gebacken wurde. Beim Bäcker habe man nur dann Brot gekauft, wenn mehr als üblich gebraucht worden sei, etwa wenn sich Besuch angemeldet hätte.

Zur Grundausbildung der Mädchen gehörte, so berichtet er, das Brotbacken ebenso wie die Flachsverarbeitung. Dieses Frauenwissen wurde in der Familie tradiert.

Eine Frau, die zum Zeitpunkt der Hochzeit das Brotbacken noch nicht beherrschte, hätte zu den Backterminen so lange ihre Mutter zu Hilfe geholt, bis sie selbst alle dazu nötigen Tricks und Kniffe gekannt hätte. Diese Unterstützung von Seiten der Mutter sei heimlich geschehen. Man hätte nicht zugeben können, dass die Braut eine so wichtige Fähigkeit nicht beherrschte. Die Tatsache, dass man diesen „Makel“ verheimlichen musste, zeigt, wie stark die soziale Kontrolle im Bereich des alltäglichen Dorflebens war.

Tonarchiv des IVDE, Band 703, aufgenommen in Freiburg am 17.6.1966.

Tonarchiv: Elisabeth Fendl
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